Krisen als Beziehungsgestalter

Emanuel Dennis verrät, wie Unternehmen ihr Employer Branding nachhaltig und glaubhaft aufstellen und welche Rolle hier ein internes Joint Venture spielt.

 

Was schon seit Jahren im Gespräch war, wurde erst durch die Neuordnung der Office Kultur in der Corona Krise und dann durch die Not des Fachkräftemangels schlagartig relevant: Extrem-Homeofficing, Remote Management, Mobile Office und Virtual Recruiting sind nichts anderes als der längst erforderliche Charaktertest für Unternehmen. Dieser zeigt, ob das, was in schön formulierten Image-Inseraten, auf Karriere-Seiten und in der Mitarbeiter:innen-Kommunikation klangvoll als Unternehmenswerte dargestellt wird, auch in der Realität stimmt. 

Employer Branding ist längst nicht mehr nur der Ankerpunkt für eine schlüssige Copy im Karriereportal, einheitliche Bildwelten bei Stellenanzeigen und das Motto für Firmenveranstaltungen. Employer Branding ist ein aktiver Beziehungsgestalter und bildet die Infrastruktur für jegliche Transformation und Innovation innerhalb eines Unternehmens. Somit besitzt Employer Branding eine inkrementelle Strahlkraft für die Wahrnehmung eines Unternehmens – nach innen und außen. 

 

„Wer die Relevanz von Employer Branding noch nicht für das eigene Unternehmen erkannt hat, wir es in naher Zukunft schwer haben: Laut LinkedIn haben 41%* der Arbeitnehmer:innen 2022 aktiv darüber nachgedacht, ihr Unternehmen bei einem besseren Angebot jenseits des Gehaltes zu verlassen.“

 

Erst mit der radikalen Verknüpfung der einstigen Silos von „HR und Marketing“ gelingt es, eine ganzheitliche Unternehmensidentität zu schaffen, die sich nach innen in der gelebten Kultur nach außen über Marke, Produkt und Services eines Unternehmens wiederfindet.

 

„Erfolgreiche Unternehmen müssen in zweierlei Hinsicht einen Mehrwert bieten. Erstens durch das Produkt, Services oder die Dienstleistung, die es verkauft, und zweitens durch die konsequente Kultur, die Sie Ihren Mitarbeiter:innen bieten. Wenn sie das Letztere vernachlässigen, werden sie es mit dem Ersteren sehr viel schwerer haben.“

 

Die konsequente Zusammenführung von Themen wie New Work, CSR, DE&I und Purpose in einer Employer-Branding-Identität des Unternehmens erfordert dabei nicht nur höhere Budgets, sondern auch die Zusammenlegung von Kompetenzen, Personalressourcen, gemeinsamen Strukturen und datenbasierten Ziele beider Abteilungen. Kurzum: Vorhandene Silos in HR und Marketing müssen abgebaut werden. 

 

Drei Tipps, die im ersten Schritt helfen können:

 

1.  Gemeinsame Ziele über Interessen definieren.

Auch wenn jede Abteilung zumindest kurzfristig noch eigene Ziele verfolgt, gilt es im ersten Schritt, übergeordnete Interessen beider Abteilungen zu identifizieren. Diese könnten beispielsweise die Nutzung und der Auftritt in digitalen Mediakanälen sein oder die Erstellung von Contents (einheitlicher Look & Feel). So wird das „Not-invented-here“-Syndrom minimiert und ein gemeinsames Bewusstsein geschaffen. Basierend auf gemeinsamen Interessen können zusätzlich geteilte Ziele definiert werden, die zu einem regelmäßigeren Austausch auch jenseits der Interessen führen. 

 

2. Jobrotation als Schritt zum gemeinsamen Team.

Der Wechsel von Kolleg:innen – temporär oder dauerhaft – innerhalb der beiden Abteilungen sorgt nicht nur dafür, dass Wissen automatisch transferiert wird, sondern schafft auch ein kulturelles und menschliche Gemeinschaftsgefühl zwischen den Teams. Auch wenn dieser Ansatz kurzfristig zu mehr Aufwand führt, beispielsweise durch Einarbeitung der Kolleg:innen, lassen sich bereits mittelfristig erste Ergebnisse der gemeinsamen „Kooperation“ feststellen, ohne dass eine Abteilung ihre Selbstständigkeit verliert.

 

3. Interdisziplinäre Teams oder Arbeitsgruppen bilden.

Was im Gebiet der Digitalisierung bereits heute schon Standard ist, hilft auch bei der Vernetzung von HR und Marketing (sowie weiteren relevanten Abteilungen). Fach- und abteilungsübergreifende Teams zu bilden, bringt unterschiedliche Sichtweisen zusammen und fördert Innovation und Ideenfindung. So können sich Teams frei untereinander austauschen und gemeinsam Ideen entwickeln, die dann wieder in die Abteilungen zurückgetragen und dort weiterentwickelt werden. Ganz nebenbei fördern interdisziplinäre Arbeitsgruppen die Empathie, indem die Position des Gegenübers eingenommen wird.

 

Ein Joint Venture aus Marketing und HR ist sehr aufwendig: Kolleg:innen müssen nicht nur immer wieder in neue Bereich eingearbeitet werden, es müssen auch ausreichend Ressourcen bereitstehen, um die zusätzliche Kosten und den zusätzlichen Arbeitsaufwand zu kompensieren, damit langfristig keine Komplikationen entstehen. Dennoch plädiere ich stark dafür, den Mut zu haben, diesen Schritt zu gehen. Ein Joint Venture aus Marketing und HR stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert die abteilungsübergreifende Kooperation.

 

Autor: Emanuel Dennis, General Manager Serviceplan Consulting Group

 

*LinkedIn Workplace Confidence Report November 2022