Wie grün werden CMOs 2023?
Mehr Marketing-Power für Sustainability? Serviceplan-CSO Stefanie Kuhnhen verrät im Interview, wie grün das Marketingjahr 2023 wirklich wird.
Best Trends: Stefanie, du bist eine Vorausdenkerin, nah an den Trends und Entwicklungen für Marketing und Innovationen. Kann das Jahr 2023 dem Thema Nachhaltigkeit für die Kommunikation von erfolgreichen Marken einen weiteren Schub verleihen?
Stefanie Kuhnhen: Davon bin ich überzeugt, denn externe Faktoren werden uns weiter dazu zwingen, Verzicht zu üben und weiter umzudenken. Wir sind Mitten im Zeitalter der Knappheit angekommen – etwas seit 50 Jahren eher Neues für Menschen und Marken. Was bedeutet, dass wir komplett neue Narrative für Menschen und Denkweisen für Marken kreieren müssen. Und so zeigt sich auch in Untersuchungen wie unserem jüngsten CMO Barometer, dass Sustainability ein relevantes Marketingthema für alle CMOs bleibt – auch trotz anziehender Rezession. Analysen zeigen zudem, dass nicht nur der Wille da ist, sondern im Marketing auch gute erste Schritte eingeleitet wurden. Aber wenn es an die konsequente Umsetzung und den klaren Fortschritt geht, hinkt das Marketing als Funktion der Gesamtorganisation hinterher. Und genau hier ist ein neuralgischer Punkt, an dem ich im neuen Jahr gerne mit den CMOs ansetzen würde: Denn die Marke ist auch zwischen C-Levels der entscheidendste Nachhaltigkeitstreiber im Unternehmen. Hier haben wir einen enormen Hebel für das Marketing, den wir gemeinsam besser nutzen sollten!
Best Trends: Du bist ja nah dran an den Unternehmen, siehst auch die Baustellen. Was ist dein konkreter Rat, damit aus den guten Absichten der CMOs auch nachhaltig wirksame Erfolge für das Gesamtunternehmen werden?
Stefanie Kuhnhen: Mein klares Plädoyer ist, dass wir Marketeers unsere eigene Rolle erstmal als deutlich zentraler begreifen und uns bewusster an die Spitze der Nachhaltigkeitstransformation im Unternehmen setzen sollten. Darauf aufbauend sollten wir Marketing systemischer und konsequenter begreifen und einsetzen im neuen Jahr. Denn Marke und der gesamte Marketing-Mix sind auch in der Nachhaltigkeitstransformation entscheidene Wertschöpfungsfaktoren, die noch hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Gerade in Europa und auch in Deutschland agieren wir eher punktuell, während wir gerade im englischsprachigen Raum mit Marken wie Patagonia, Pedigree, Ben & Jerrys oder auch Chipotle Marken sehen, die zum einen den gesamten Marketing-Mix neu ausrichten: Auch Preis und Distribution werden dann neben Kommunikation und Produktentwicklung Mittel, um Nachhaltigkeit konsequent durchzusetzen. Zum anderen gehen die genannten Marken aber sogar noch einen Schritt weiter, und denken auch über ihr Unternehmen hinaus systemisch: Mit einem erweiterten Stakeholder-Set aus Partnern, Politik und NGOs verändern sie ihre Branchen komplett zum neuen Wirtschaften. Das ist wirklich spannend und ich bin überzeugt, dass wir dieses Zusammenrücken in dem neuen Knappheits-Zeitalter überall sehen werden bzw. die Marken erfolgreich sind, die sich hier an die Spitze setzen.
Ein weiterer Aspekt, den wir Marketeers oft vergessen, ist, dass Marketing gerade für eine funktionierende Nachhaltigkeitstransformation den erhöhten Kommunikationsbedarf in alle Richtungen abdecken muss. Denn ohne mitreißende Geschichten und neue Narrative verändern wir nicht erfolgreich. Sie sind das unsichtbare Schmiermittel. Auch das erhöht die Wichtigkeit von CMOs in Transformationszeiten. Und gerade weil Kommunikation heute mit den digitalen Möglichkeiten und schnellen Reichweiten ganz neue Chancen bietet, jede Stakeholder-Kommunikation optimal zu nutzen, liegt hier eine ungeheure Kraft. Wenn das eigene Unternehmen also bis 2030 klimaneutral sein will, dann muss, kann und sollte die/der CMO genauso ganzheitlich im Marketing agieren und den größtmöglichen Beitrag zu diesen Unternehmensziel leisten. Hier können wir eine wichtige Führungsrolle einnehmen.
Best Trends: Systemischer und ganzheitlicher zu denken und zu handeln ist mit Sicherheit ein kluger Ratschlag. Du erwähntest gerade Top-Brands wie Patagonia oder Pedigree. Was ist aus Deiner Sicht der Startpunkt für ihren Erfolg, von dem sich Unternehmen inspirieren lassen können?
Stefanie Kuhnhen: Schauen wir uns den Purpose von Patagonia an, dann entdecken wir einen herrlichen Denkanstoß: „Das beste Produkt herstellen und keinen unnötigen Schaden anrichten. Das Business dafür nutzen, um Lösungen für die Umweltkrise anzuregen und umzusetzen.“ Ist das nicht wunderbar in diesen aufregenden und gestaltungswirksamen Zeiten? Wenn wir uns als CMOs fragen, wie ich das, was mein Unternehmen kann, konsequent einsetze, um die Lösung für ein gesellschaftliches Problem zu sein, dann ist das das die besten Startfrage, die man sich stellen kann, um marketing- und unternehmensweit ganzheitlich zu agieren!