Revolution der computergenerierten Kreation
Künstlich generierte Bilder und Videos werden die Kommunikationsbranche erobern. Essenziell ist, dass wir ethisch verantwortlich mit dieser Technologie umgehen, findet Jens Krahe.
Die Revolution der künstlich erstellten Bilder ist nicht mehr aufzuhalten: Schon heute kann jeder – dank der frei zugänglichen Bildgeneratoren von DALL-E 2 und Midjourney oder durch Stable Diffusion als Open-Source-Lösung – künstliche Bilder erstellen. Die Basis dafür ist der sogenannte Prompt, eine englische Textbeschreibung, die durch Skizzen ergänzt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass computergenerierte Kreationen spätestens in drei Jahren zum Arbeitsalltag in Agenturen und Unternehmen gehören. Denn die faszinierende Technologie setzt der visuellen Kreativität keine Grenzen mehr – und ist dabei auch noch enorm schnell und wird rasant weiterentwickelt. Gleichzeitig beendet sie das leidige Suchen in Bilddatenbanken, um PowerPoints zu bebildern oder kreative Ideen oder Kampagnen in Photoshop zu visualisieren.
Begriffsinterpretationen prägen das Bild
Es klingt einfach, einen Text einzugeben, um ein Bild zu generieren. Erfahrungen zeigen, dass das aber gar nicht so leicht ist. Denn der Prompt muss schon so ausfallen, dass die Technologie dahinter ihn „versteht“ und daraufhin das gewünschte Bild erstellt. Das Hinzufügen von groben Skizzen oder Bildern kann die Generierung aktiv beeinflussen und sich positiv auf die Bildqualität und das kreative Ergebnis auswirken. Kreative müssen also wissen, welche Texteingaben und Zeichnungen zum besten Ergebnis führen. Besonders schwierig wird es, wenn es um Begriffe zur Darstellung abstrakter Markenwerte geht, wie beispielsweise Vertrauen, Sicherheit oder Purpose. Deshalb gibt es Portale wie „PromptHero“, die Prompts frei zur Verfügung stellen, um andere an ihren Texterfahrungen teilhaben zu lassen, oder Plattformen wie „Promptbase“, die ein Geschäft daraus machen.
Darüber hinaus muss ein Prompt, in DALL-E nicht unbedingt das gleiche Ergebnis auf Midjourney liefern. Denn es liegt nicht nur an der Wortwahl, sondern auch an der Begriffsinterpretation und dem zugrundeliegenden Modell, wie das Bild ausfällt. Deshalb sollten Prompt-Spezialist:innen auch unterschiedlichste Systeme kennen.
Da sich Prompts auch auf die Erstellung von Videos beziehen können, braucht es nicht nur wirksame, beschreibende Stichwörter, sondern auch passend geschriebene Storyboards. Auch hier können Skizzen die Qualität erhöhen. Zukünftig könnte diese Technologie auch komplette 3D-Welten erzeugen und damit Teil des Metaverse werden. Das Erlebnis wäre vergleichbar mit einem Holodeck, was aufgrund der Beschreibung des „Prompts“ geladen und generiert wird. Auch hierzu werden die richtigen Begriffseingaben benötigt.
Kehrseiten und Gefahren der Technologie
Die unendliche Welt computergenerierter Bilder und Videos wirft auch ihre Schatten voraus: Beispielsweise sind die Urheber- und Nutzungsrechte von bereits vorhandenen Bildmotiven oder Filmsequenzen, die die Systeme nutzen, um Neues zu kreieren, noch nicht geklärt. Auch die Copyrights der Kreationen bewegen sich noch in Grauzonen. Nur DALL-E hat bis heute verfügt, dass die Bildrechte beim Creator liegen. Darüber hinaus sind Bildgeneratoren nur so gut, wie sie trainiert wurden. Der Lernprozess beruht allein auf Bild- oder 3D-Daten. Deshalb ist zu befürchten, dass die künstlichen Motive und Videoclips im Ergebnis geprägt sein werden: sozial voreingenommen, spezifische Bevölkerungsgruppen ausschließend oder falsch darstellend. Deshalb sind Unternehmen und Agenturen in der Pflicht, eigene copyright- und biasfreie Daten zu erheben und damit das Modell zu trainieren. Diese trainierten Modelle werden als „Diffuser“ und „Vegan“ bezeichnet.
In der neuen Technologie steckt enormes Potenzial. Diese Chancen sollten nicht verspielt werden. Deshalb braucht es Verantwortung im Umgang und die richtigen Kompetenzen im Team, damit computergestützte Kommunikation attraktiv, glaubhaft und divers bleibt. Sie wird für uns ähnlich prägend sein und vergleichbare Effizienzgewinne mit sich bringen, wie die Einführung des Computers in der Kreation zur Digitalisierung von Publishing, Bildbearbeitung und Typographie.
Autor: Jens Krahe, Managing Partner Plan.Net Köln