Es war bei Google eine Hängepartie über vier Jahre hinweg: Die Abschaffung der Third-Party-Cookies wurde bereits 2020 angekündigt. Dann immer wieder verschoben, weil Google für den Markt keine akzeptable Alternative präsentieren konnte. Und vor kurzem dann die Rolle rückwärts: der Third-Party-Cookie darf bei Chrome, Googles Browser, bleiben. Vorausgesetzt die User:innen ändern es nicht in ihren Grundeinstellungen.
Ist es die Reaktion auf den Druck aus der Werbebranche? Oder musste Google einfach feststellen, dass seine Sandbox noch immer weit von einer Marktreife entfernt ist? In den Tests der sogenannten Protected Audience, der Schnittstelle, die für Anzeigenauktionen im Browser zuständig ist, sanken Reichweite und Revenue der beteiligten Publisher aufgrund Auslieferungsverzögerungen und anderen Problemen jedenfalls massiv. Bei den von Google selbst durchgeführten Tests um etwa 20 Prozent, bei Tests durch Dritte sogar um bis zu 60 Prozent. Darüber hinaus hat die britische Wettbewerbsbehörde CMA (Competitions and Markets Authority), deren Votum sich Google vertraglich unterworfen hat, erkennen lassen, dass sie zu der Meinung kommen könnte, dass Google von der Einführung der Sandbox bei gleichzeitigem Abschalten der Cookies stärker profitieren würde als der Rest des Marktes. Google beugt mit seiner Entscheidung also mutmaßlich auch einem regulatorischen Eingriff vor.
Und nun?
All jene, die bisher keine Alternativstrategien entwickelt hatten (und das waren viele, wenn man den diversen Umfragen glauben darf), werden jetzt aufatmen: Nochmal Glück gehabt, wir machen einfach weiter mit unseren Third-Party-Cookie-Kampagnen in Chrome. Ist das die Lösung? Ich würde es nicht empfehlen. Googles Rolle rückwärts ist kein Schritt vorwärts für den Markt.
Es gibt gute Gründe, sich aus der Abhängigkeit der Third-Party-Cookies zu befreien. In Deutschland beispielsweise erreicht man damit gerade einmal die Hälfte der Internet-User:innen auf Desktop-Rechnern und zwei Drittel auf Mobilgeräten. Denn Safari und Firefox, die in Deutschland gemeinsam auf fast 30 Prozent Marktanteil kommen, haben sich schon früher von den Cookies verabschiedet. Außerdem gewinnt ein weiterer Aspekt an Bedeutung: Google hat ja auch angekündigt, die User:innen im Browser grundsätzlich nach ihrem Einverständnis fragen zu wollen. Noch ist nicht publiziert, wie das genau aussehen wird und wann das zum Tragen kommt. Insider rechnen aber damit, dass diese Consent-Abfrage 2025 umgesetzt wird, weil Google die Regulierer im Nacken sitzen.
Kommt diese Abfrage, wird die Zustimmung zu Cookies mit Sicherheit noch einmal sehr deutlich zurückgehen. Heute tragen noch etwa die Hälfte aller Impressions ein Cookie und wir erreichen damit 30 bis 40 Prozent der Nutzer:innen via Chrome. Kommt die generische Consent-Abfrage im Chrome-Browser, wird sich der Wert mindestens halbieren. Wir würden damit dann noch 15 bis 20 Prozent der Nutzenden via Cookie erreichen. Das kommt einer faktischen Abschaffung der Third-Party-Cookies als Marketingwerkzeug gleich.
Die Privacy Sandbox, die Google lange Zeit als Cookie-Alternative präsentiert hat, hätte nicht nur die Marktdominanz von Google weiter ausgebaut. Sie ist zudem keine ausgereifte, ernsthafte Alternative, die in der Praxis für Werbetreibende gute Ergebnisse liefert. Das hören wir aus dem britischen Markt, wo die Sandbox bereits im Einsatz ist. Werbetreibende und ihre Agenturen sind deshalb gefordert, die Aussteuerung digitaler Kampagnen neu zu denken.
Es gibt mehrere Lösungsansätze: modernes, kontextuelles Targeting ist einer davon. Das sieht heute aber ganz anders aus als die klassische Umfeldplanung im Netz noch vor einigen Jahren. Eine wichtige Rolle spielt dabei die künstliche Intelligenz.
So funktioniert KI-gestütztes kontextuelles Targeting
Mediaplus hat zu diesem Zweck unser bestehendes Tool NE.R.O (steht für Nettoreichweitenoptimierung) für den Einsatz mit Künstlicher Intelligenz weiterentwickelt. Der Crawler von NE.R.O AI scannt tagesaktuell über 50.000 Artikel im Web und verarbeitet dadurch Millionen an Datensets, mit denen die KI kontinuierlich trainiert wird. Hierfür nutzt NE.R.O AI ein Large Language Modell, um den Kontext, Affinitäten, psychografische und emotionale Strukturen und Themen der Beiträge zu verstehen. Auf Basis dieser Informationen ordnet die KI den gescannten und klassifizierten Artikeln dann Zielgruppen zu, die über unseren Mediaplus Value Planning-Ansatz ermittelt und zur Kampagnenaussteuerung genutzt werden. Den Wesensmerkmalen der Zielgruppe können also nicht nur Kanäle und Medien, sondern auch einzelne Artikel zugeordnet werden.
Damit sind die Zeiten vorbei, in denen eine Tourismusdestination oder eine Airline neben einem Artikel zu einer Hochwasserkatastrophe (wie im November in Valencia), einer Quallenplage oder einer Jahrhundert-Dürre wirbt, weil das Targeting nur auf einem Keyword basierte. Beim KI-gestützten kontextuellen Targeting erkennt das Large Language Model die Zusammenhänge. Dem Camping-Urlauber oder der Wohnmobil-Liebhaberin wird dann auch kein Luxushotel mehr eingeblendet. Die KI hilft, dass ein optimaler Fit zur Zielgruppe entsteht und obwohl die Kampagnen ohne Cookies arbeiten, können sie hoch individuell ausgesteuert werden.
KI-gestütztes kontextuelles Targeting ist dabei über die Labor- oder Testphase, in der sich die Privacy Sandbox seit Jahren befindet, längst hinaus. Reale Kampagnenergebnisse zeigen, dass NE.R.O AI kontinuierlich signifikant besser abschneidet als das klassische Profiltargeting – beispielsweise mit einer im Durchschnitt 90 Prozent höheren Verweildauer und einer 21 Prozent höheren Click-Through-Rate. Es gibt also Alternativen zum Third-Party-Cookie. Und sie funktionieren auch.
Googles Entscheidung, weiter auf Cookies in Chrome zu vertrauen, mag wegen regulatorischer Überlegungen und aus Bequemlichkeitsaspekten verständlich sein. Eine zukunftsfähige und schlaue Entscheidung ist es aber nicht.
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