Wie Krisen die Kreativität befeuern
Das Marketing steht Kopf - nicht erst seit Corona und Klimakrise. Digitale und reale Grenzen verschwimmen – Taktgeber sind einmal mehr China und USA.
Die weltweite Pandemie, ein Krieg mitten in Europa und nicht zuletzt der allseits gegenwärtige Elefant im Raum, der Klimawandel: Das Jahr 2022 scheint nicht die besten Voraussetzungen zu schaffen, um Kreativität im Marketing zu fördern. Oder ist das Gegenteil der Fall? Schließlich verlangen gerade schwierige Zeiten vom Marketing ein besonderes Gespür für Trends und aktuelle Entwicklungen.
Neues Mindset, neues Informationsbedürfnis
Das gilt insbesondere in Krisenzeiten. Corona hat das Mindset der Verbraucher:innen verändert, das gilt für zwischenmenschliche Beziehungen, ebenso wie die Einstellung zur Arbeit oder die Suche nach neuen Werten und Interessen. Menschen auf der ganzen Welt fragen sich, wer sie sein wollen und was ihnen wirklich wichtig ist. „Fürsorge“ kann in solch unsicheren Zeiten zum maßgeblichen Markenversprechen werden. Empathie muss der maßgebliche Treiber bei der Gestaltung von Dienstleistungen und Produkte sein, um Menschen die so dringlich benötigte Sicherheit und Orientierung zu bieten. Auch die Auswirkungen des Klimawandels rücken in dem neuen Mindset immer mehr in den Mittelpunkt. Konsument:innen erwarten von den Unternehmen heute ganz selbstverständlich innovative Lösungen für nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen.
All dies wirkt sich unmittelbar auf die Kreativität aus und die Kommunikation an die Zielgruppen. Das neue entstandene Informationsbedürfnis muss zunehmend über die traditionellen Verkaufs- und Kommunikationskanäle hinaus gestillt werden. In einer vernetzten Welt werden Creator und Influencer:innen, digitale Communities und soziale Plattformen immer wichtiger bei der Suche nach Produkten oder Unternehmen.
Das Gaming verändert die Unterhaltungsindustrie
Ähnliches gilt für Gaming. Lange Zeit existierte die Gaming-Industrie als gänzlich abgeschottete Parallelwelt zur schillernden und aufregenden Entertainmentbranche aus Musik, Kino und Fernsehen. Diese Grenzen verschwimmen mehr und mehr: Gaming beeinflusst heute die Unterhaltungsindustrie auf allen Ebenen. Gepusht durch die Pandemie, gehört Gaming heute zu einem der wichtigsten Instrumente für sozialen und gemeinschaftlichen Austausch. „Wir spielen, um uns zu messen, um Kontakte zu knüpfen oder einfach nur, um Spaß zu haben. Spielen fördert die Empathie“, erklärte Sarah Bond von Microsoft auf der SXSW Festival 2022 in Austin. Der Einsatz von 3D-Grafiken und Virtual Reality sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Creatorn und Communities macht Gaming inzwischen zum wichtigen Innovator in der Unterhaltungsbranche und im Marketing.
China bleibt Trendsetter in Social Media und Tech
Bei der Betrachtung aktueller digitaler Trends, insbesondere auf Social Media, sollten wir China und insbesondere der chinesischen Gen-Z mehr Aufmerksamkeit schenken. Anwendungen wie TikTok und seine chinesischen Pendants dominieren dort die digitale Kultur und gelten als der wichtigste Trendsetter für Contents weltweit. Insbesondere der Handel darf diese Entwicklung nicht verschlafen. In China haben sich Shoppable Content und live gestreamte Einkaufsveranstaltungen im Web nicht erst seit Corona zum lukrativen Vertriebskanal entwickelt. Social-Media-Plattformen wie Douyin (das chinesische Pendant zu TikTok), die Live-Streaming-App Yingke oder der Messenger WeChat zeigen heute, was künftig möglich ist. Auch im Westen gewinnt Shoppable Media immer mehr an Bedeutung. Direkte Kaufmöglichkeiten in Feeds, Stories oder Bewegtbildinhalten auf Facebook, Instagram und Co, Live-Streams mit Influencer:innen und Creatorn machen aus ursprünglich rein inspirierenden Umfeldern Orte für Spontankäufe und Instant Gratification. Ein anderes Marketing-Instrument hat es hingegen noch nicht zu uns geschafft: In China sind virtuelle „Key Opinion Leaders“ bereits seit zehn Jahren ein wichtiger Teil der Online-Kultur. Sie sind Partner:innen für Unternehmen, werben für Produkte, geben Konzerte und dienen als Charaktere für digitale CRM-Systeme. Inzwischen gehen viele Marken in China bereits einen Schritt weiter und entwerfen komplette digitale Welten rund um die virtuellen Influencer:innen und als Raum für Storytelling rund um die digitalen Charaktere. Und wo ist dafür der perfekte Platz? Natürlich im Metaverse.
Willkommen im Metaverse!
Virtuelle KOLs sind nur ein Aspekt einer neuen und aufregenden Zukunft, die sich Metaverse nennt. Die nächste Evolution des Internets wird unsere digitale Kultur völlig verändern und Marken und Verbraucher:innen neue Möglichkeiten bieten zu interagieren, zu gestalten, zu konsumieren und auch Geld zu verdienen. Basierend auf Extended Reality (AR, VR), Echtzeit-3D-Grafiken, Wearables und spezieller Hardware und Krypto-Anwendungen wie Non Fungible Tokens (NFT) und Blockchain entstehen neue Apps, die eine Brücke zwischen der physischen und der digitalen Welt bilden.
Einer der aufregendsten Aspekte im Metaverse ist die Kreation eines digitalen Zwillings mit realen Gütern und Erfahrungen. So kann z.B. ein virtueller Avatar die Lieblingsmarke tragen oder virtuelle Versionen gewohnter Dienstleistungen nutzen. Ein weiterer sehr spannender Bereich ist der Ansatz, Live-Events wie Konzerte oder Musikfestivals in das Metaverse zu übertragen. Lokale Veranstaltungen erhalten plötzlich eine globale Reichweite, werden in hohem Maße immersiv und ermöglichen es den Fans, die Auftritte ihrer Lieblingskünstler:innen auf eine völlig neue Weise zu erleben.
Das Metaverse wird den Nutzer:innen neue Formen zur Selbstdarstellung bieten und sie verschiedene Identitäten in digitalen und virtuellen Räumen annehmen lassen. Ebenso grenzenlos sind die Möglichkeiten für Marken, in diesem neuen Raum virtuelle Erlebnisse mit globaler Reichweite zu schaffen.
Autor: Alex Turtschan, Director Digital Accelerator Mediaplus Group
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