Serviceplan ist ein Homecoming für mich

Seit März ist Peter Schäfer der neue Chief Strategy Officer von Serviceplan Suisse. Welche Herausforderungen sieht er für die Agentur - und was will er tun, um diesen zu begegnen?

 

In der Schweizer Werbebranche sind Sie zwar eine bekannte Person, dennoch: Würden Sie denen, die Sie noch nicht kennen, von Ihrem Werdegang berichten?

Peter Schäfer
Ich bin geborener Südafrikaner und bin mit siebzehn Jahren, das muss ich ganz ehrlich so sagen, von Zuhause abgehauen. Nicht nur wegen der Apartheid, sondern auch wegen der Probleme mit meinen Eltern, mit denen ich mich heute aber bestens verstehe. Ich bin zuerst nach London gegangen und habe dort ein Psychologie-Studium begonnen; erhielt dann ein Forschungsstipendium für die Schweiz. Von dem Leben als Wissenschaftler hatte ich irgendwann genug; ich hatte Sorge, ich werde selbst verrückt, wenn ich mich noch länger mit diesen Themen beschäftige (lacht) … und dann bin ich in die Werbebranche gewechselt.


Sie stiegen bei Advico, Young & Rubicam ein, Peter Felser wurde Ihr Planning-Mentor. Dann holte Frank Bodin Sie zur späteren Havas, wo Sie vierzehn Jahre blieben. Schliesslich taten Sie noch zwei Jahre Dienst bei Wunderman - und nun der Wechsel zu Serviceplan. Lange gar keine Veränderung, dafür musste es diesmal umso schneller gehen?


Mich haben tatsächlich manche Kollegen gefragt, ob ich „spinne“ - weil ich Wunderman nach nur zwei Jahren wieder verlassen habe. Dabei hatte ich dort wirklich eine tolle Zeit! Ich habe in einem sehr internationalen Setup wahnsinnig viel über Technologie lernen dürfen, sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Umsetzung.  Aber Serviceplan ist wie ein Homecoming für mich - nicht nur kenne ich Pam Hügli und viele andere Kolleginnen und Kollegen seit Ewigkeiten; ich finde auch das Konzept, das hinter der Agenturgruppe steht, fantastisch.


Eines Ihrer Kernthemen - wie ich im Vorgespräch erfuhr - ist die Nutzung empirischer Daten für die Werbung. Kommt da der studierte Psychologe durch?


Ich glaube, die Daten die man heute über Konsumenten erhebt, haben eine Menge mit Psychologie zu tun. Viele Menschen haben keine Mühe, zu artikulieren: „Das will ich, das mag ich und das ist meine Einstellung. Also kaufe ich so oder so.“ Aber wenn man sich dann die Daten anschaut, die diese Menschen generieren … dann zeichnet sich oft ein völlig anderes Bild. Und das ist das, was mich wirklich interessiert. Man kann viel tiefer gehen als auf das Level, das den Menschen selbst bewusst ist.


Nicht umsonst ist auch „datenbasierte Kreativität“ zumindest als Buzzword in aller Munde. Erleben Sie überhaupt noch Kollegen aus der Kreation, die sich dagegen sträuben?


Grundsätzlich ist es doch so: Wenn Kreative einmal in einem Projekt oder einer Kampagne mitbekommen haben, wie man Daten gewinnbringend einsetzt, glauben sie daran und werden gerne damit arbeiten. Das gilt sowohl für „klassische“ Kreative als auch neuere, moderne Digital-Kreative. Ich denke aber nicht, dass Daten oder Analysen die Intuition oder das Bauchgefühl ersetzen, die zu einer Idee führen. Ich glaube nach wie vor: Wir werden Kreativität brauchen. Und wir werden Ideen brauchen. Die grossen Plattformen dieser Welt mit ihren teilweise genialen technologischen Innovationen werden das nie erreichen können. Die kommen aus einer ganz anderen Welt. Wir brauchen nach wie vor Kreativität, und wir brauchen nach wie vor Kreative, die in ihrer Genialität auf unkonventionelle Gedanken kommen.


Wie bringt man Kreativität und Daten denn optimal zusammen?


Daten führen zu Insights, die wiederum für die Kreation zu einem Sprungbrett werden. Sie ersetzen das Sprungbrett aber nicht, das ist ganz wichtig. Ich glaube, wie schon gesagt, immer noch an die Hoheit der Kreation. Und deshalb kommen Kunden ja auch zu Kreativ-Agenturen. Sie kommen nicht, um Daten zu erheben, denn das können sie mittlerweile über CMS-Systeme selbst. Daten sind aber neben der Kreation auch enorm wichtig für die Strategie. Wenn wir mal eine Idee gefasst haben, müssen wir eine Kanalstrategie entwickeln. Dafür müssen wir wissen, wo sich die Kunden via welche Touchpoints bewegen. Früher war das nicht nötig - da ist man mit einer Idee zum Kunden gegangen und hat dann auf Pappen oder später über Beamer präsentiert. Und das haben die Kunden gerne gehabt. Heute ist das ganz anders. Wir haben die Insights, wir haben die Idee und jetzt müssen wir das bis ins letzte Detail umsetzen - das erwarten die Auftraggeber.


Was heisst das für die Zukunft der Agenturen?


Das heisst, dass die Prognose der Customer Journey ein essentieller Bestandteil unserer Tätigkeit geworden ist. Wenn wir uns weiterhin als Full Service-Agenturen im Markt positionieren wollen, dann müssen wir auch diesen Part ganz zuverlässig und selbstverständlich erfüllen können. Es ist meiner Meinung nach vor allem die Rolle der Strategie, das voranzutreiben.


Sie und Ihre KollegInnen sind also immer stärker gefordert, wenn es darum geht, eine Agentur wie Serviceplan fit für die Zukunft zu machen?


Absolut. Ich versuche das mal aus einer holistischen Perspektive zu erklären: Auf der einen Seite konkurrieren wir im Bereich Customer Insights, Customer Experience Management heutzutage mit den grossen Unternehmensberatern. Die versuchen, uns Leute abzuwerben und schaffen das manchmal auch; vor allem aber drängen sie in Pitches hinein, die unsere Branche früher „unter sich“ ausgemacht hat. Auf der anderen Seite haben wir die Kreativität. Das können die Consultants nicht wirklich, da können wir uns positionieren. Da geht es um Dinge wie Markendefinition. Da geht es um Kommunikationsstrategien, um wirklich gute. Da geht es um Transformationsthemen, die direkt die Customer Experience betreffen. Kreative Kompetenz allein reicht einfach nicht mehr, um umfassende Mandate zu erhalten. Wir müssen den Teil der Arbeit, den sonst die Consultants übernehmen würden, mit-machen.


Ein weiteres grosses Anliegen für Sie, so sagten Sie mir vorab, sei die Förderung von Diversität innerhalb der Agentur. Warum ist Ihnen das wichtig?


Ich bin überzeugt, dass gelebte Diversität die Offenheit der Mitarbeitenden untereinander verstärkt und damit Raum für besonders viel Kreativität schafft. Unterschiedliche Meinungen zu fördern, zwingt über den eigenen Horizont hinaus zu denken und genau das führt oft zu grossen Ideen. Bei Serviceplan Suisse haben wir eine Verwaltungsratspräsidentin, wir haben Pam Hügli als CEO, wir haben eine Geschäftsleitung, die zu fünfzig Prozent weiblich ist. Das heisst, wir sind bei der Frauenförderung schon viel weiter als andere Unternehmen. Und ich finde, das ist ein ganz bedeutendes Signal im Markt. Aber wir sind noch nicht am Ziel! Die gesamte LGBTQ+-Thematik ist enorm wichtig, Gleichstellung wird endlich auch von den Kunden begrüsst, ja: verlangt … die Welt ist soweit. Überhaupt: Die Welt wird weiblicher und die Welt wird jünger. Das wird die Insights verändern, an denen wir unsere Kampagnen ausrichten.



Quelle: Johannes Hapig

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