Es gibt nicht DEN einen skandinavischen Markt
Die Menschen in den nordischen Ländern gelten als Early Adopter. Das macht es für Unternehmen spannend, nach Skandinavien zu expandieren, findet Eva Bodecker Thunborg, CEO der neu gegründeten Mediaplus Nordics.
Was macht die nordischen Länder für Kunden aus der ganzen Welt interessant?
Eva Bodecker Thunborg: Die nordischen Länder sind in vielerlei Hinsicht interessant. Eines der wichtigsten Argumente: Die Menschen in den verschiedenen skandinavischen Märkten sind Early Adopter - sie sind sehr daran interessiert, neue Produkte, neue Dienstleistungen und neue Wege zu testen und auszuprobieren. Insbesondere Schweden und Finnland hatten schon früh eine gewisse Affinität zu neuen Technologien. Der Einsatz neuer und neuester Technologien ist vor allem getrieben von der schieren Grösse der Region und einem konzentrierten Einsatz staatlicher Mittel bei der Überwindung rückständiger Strukturen. Beispiele hierfür sind die Telemedizin, aber auch die sehr frühzeitige Vernetzung von Wirtschaft und Staat etwa in der Steuerverwaltung. Auch sind einige kulturell bedingte mentale Hindernisse wie ein sehr strenger Datenschutz weniger ausgeprägt. In Schweden etwa gilt das «Öffentlichkeitsprinzip», das es allen Bürger*innen möglich macht, ohne Angabe von Gründen Akteneinsicht in Behördenvorgänge zu bekommen. Ähnlich unproblematisch ist hier auch der Zugang zu personenbezogenen Daten wie Alter, Interessen, Einkommen aus öffentlichen Datenbanken. Für Deutschland undenkbar – aber ein klarer Vertriebsvorteil für jedes Unternehmen, das Kund*innen möglichst gezielt ansprechen will. Durch seinen hohen Digitalisierungsgrad und der ungewöhnlich grossen Digitalaffinität der Bevölkerung kann der skandinavische Markt auch aufgrund seiner überschaubaren Einwohner*innenzahl als Pilotmarkt für innovative Kampagnenansätze und Produkteinführungen dienen.
Und was sind die besonderen Herausforderungen für Kunden?
Eva Bodecker Thunborg: Die besondere Herausforderung ist: es gibt nicht DEN EINEN skandinavischen Markt, es gibt mit Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland vier völlig unterschiedliche Märkte, mit vier verschiedenen Kulturen, Steuersystemen, Bürokratien, Währungen und Sprachen. Finn*innen sind Dän*innen in etwa so ähnlich, wie Belgier*innen den Französ*innen. Vergleichbar ist das auch mit der DACH-Region, die allenfalls noch durch eine gemeinsame Sprache verbunden wird. Deutsche, Österreicher*innen und Schweizer*innen würden mir aber zustimmen, dass sie sehr unterschiedlich ticken. Niemand würde auf die Idee kommen, hier eine One-Size-Fits-all-Strategie über alle Länder zu stülpen. Eine besondere Chance für globale Kunden ist, dass wir jetzt alle nordischen Märkte mit einem Point-of-Contact aus einer Hand anbieten können. Unternehmen können neue Produkteinführungen oder Dienstleistungen oder Linienerweiterungen in einem definierten Markt unter kundiger Anleitung testen.
Im Nordics Office arbeiten Mediaplus und Plan.Net Hand in Hand. Was zeichnet diese Zusammenarbeit aus?
Eva Bodecker Thunborg: Es ist eine Besonderheit der Serviceplan Group, dass sie in ihren weltweiten Houses of Communication ein integriertes Angebot aus Media, Kreation und digitalen Dienstleistungen anbietet. Mit Mediaplus und Plan.Net sind wir hier schon auf dem besten Weg zu einem House of Communication Nordics. Ein starkes Plan.Net-Team unter der Leitung von Niklas Lamberg in Stockholm steuert als Teil der Customized Agency The Marcom Engine gemeinsam mit Mediaplus die digitalen Aktivitäten von BMW und MINI in der skandinavischen Region. Zusammen mit Niklas und seinem Team wollen wir auch künftig integrierte Etats betreuen und freuen uns sehr darauf, das House of Communication Nordics gemeinsam aufzubauen. Wir arbeiten eng zusammen, um gemeinsam erfolgreich Pitches zu veranstalten, unsere bestehenden Kundenaufträge auszubauen und neue zu suchen. Unsere Angebote ergänzen sich perfekt. Unsere gemeinsame Vision ist es, so flexibel wie möglich auf die Kundenbedürfnisse einzugehen - eine hochqualifizierte und anpassungsfähige Gruppe von Kolleg*innen und Kompetenzen zu haben, um die Teamstruktur massgeschneidert gestalten zu können. Gemeinsam wollen wir vor allem auch die Implementierung der globalen Ressourcen und Tools in den neuen Märkten vorantreiben, dazu gehören der internationale Digital- und Daten-Hub Mediaplus Realtime ebenso wie das KI-gesteuerte Intermedia-Planungstool Brand Investor.
Wie würden Sie den Agenturmarkt in Skandinavien beschreiben? Inwieweit erfüllt ein House of Communication Nordics genau das, was der Markt braucht?
Eva Bodecker Thunborg: Der skandinavische Agenturmarkt wird bislang vor allem von Netzwerkagenturen bestimmt. Gleichzeitig aber sind grosse Teile der nordischen Wirtschaft noch immer eigentümergeführt oder in Familienbesitz und mithin mittelstandsgeprägt, obwohl sie längst weltweit Bedeutung haben. Es gibt in Skandinavien eine Kombination aus lokalen und globalen Kunden, die auf allen Märkten aktiv sind - wobei der anhaltende Trend, mehr und mehr lokal zu kommunizieren, ein grossartiger Türöffner für uns sein kann. Das gilt insbesondere auch für Unternehmen, die hierher expandieren wollen, und unsere Expertise im Sinne von lokaler Zielgruppenanalyse, lokalen Influencer*innen, lokale Sprache/Bilder in den Werbemitteln und lokale Trends in der Kommunikation benötigen.
Abgesehen von Werbung und Zielgruppen, was können wir von den Skandinaviern für unsere Branche lernen?
Eva Bodecker Thunborg: Auch in Skandinavien gibt es noch Handlungsbedarf, wenn es um Gleichberechtigung und Diversität geht. Dennoch belegen die nordischen Länder regelmässig Spitzenplätze in Rankings wie dem «Equality-Index» des World Economic Forum. Alle nordischen Länder haben in der Vergangenheit daran gearbeitet, die Beteiligung verschiedener Geschlechter, Kulturen und Nationalitäten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gerechter zu gestalten. Die Folge: das Gender-Pay-Gap ist in Skandinavien geringer, die Elternzeit unter den Paaren ausgeglichener, es gibt flexiblere Arbeitsmodelle und es herrscht eine höhere Diversität in Unternehmen. Das trägt auch zum wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen bei. Niemand kann es sich heutzutage leisten, auf gute Mitarbeiter*innen, Führungskräfte oder Expert*innen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht oder körperlichen Eigenschaften zu verzichten. Als international tätige unabhängige Agenturgruppe sehe ich die Serviceplan Group hier aber auch schon sehr gut aufgestellt.
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